Atlassians Backup-Strategie: Eine Analyse
- Stephan Hannach
- vor 5 Tagen
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 4 Tagen
Ausgangslage
Seit einigen Jahren verfügt Atlassian über eine native Backup-Funktion für Jira und Confluence Cloud.
Die Lösung verfügt über eine REST API mit der man das eher primitive System in seine Infrastruktur einbinden kann. Dass das Backup nur alle 48h stunden erzeugt werden kann, ist eine der Limitierungen, die es verhindern eine professionelle Backup-Strategie zu fahren.
Diese Backup-Funktionalität mit der Möglichkeit sein Backup lokal zu speichern wird nun durch ein neues System ersetzt.
Es stellt sich die Frage nach der Praxistauglichkeit der neuen Lösung für unterschiedliche Unternehmensanforderungen.
Das Shared Responsibility Model
Atlassian arbeitet nach dem Shared Responsibility Model, einer in der Cloud-Industrie verbreiteten Aufteilung von Verantwortlichkeiten.
Während Atlassian die Infrastruktur und Plattform-Stabilität sowie systemweite Backups für Disaster Recovery auf Infrastruktur-Ebene übernimmt, liegt die Verantwortung für kundenseitig initiierte Änderungen beim Nutzer.
Dies umfasst versehentlich gelöschte Projekte, durch Skripte überschriebene Felder und die Erfüllung von Compliance-Anforderungen. Atlassian selbst dokumentiert explizit, dass regelmäßige Backups durch Kunden erforderlich sind, um Datenverlust zu vermeiden.
Die native Backup-Funktionalität im Detail
Im Oktober 2025 befindet sich die neue native Backup-Funktion in der Open Beta Phase für Enterprise-Kunden.
Der Zugriff erfolgt über admin.atlassian.com, wobei sowohl manuelle als auch geplante Backups in täglichen oder wöchentlichen Intervallen möglich sind.
Die Daten können entweder im Atlassian-verwalteten Storage mit einer 14-tägigen Aufbewahrungsfrist oder im kundeneigenen AWS S3-Account mit 30 Tagen Wiederherstellungsmöglichkeit gespeichert werden.
Die technischen Limitierungen sind jedoch erheblich.
Attachments werden lediglich als Referenzen gespeichert, nicht als tatsächliche Dateien(!). Diese kann man auch nicht so einfach auf seinem on-Premise System ablegen.
Die Recovery Time Objective beträgt bis zu 12 Stunden für Instanzen unter 60 GB, während größere Umgebungen Support-Unterstützung benötigen.
Mit einem Recovery Point Objective von 24 Stunden für Instanzen unter 240 GB eignet sich die Lösung primär für kleinere bis mittlere Implementierungen.
Im Moment gibt es als Ablageort die Beschränkung auf den Atlassian Storage (14 Tage Retention-Time) und AWS S3 Storage (14 Tage Retention-Time), den man selbst verwalten muss.
Da die Attachments nur als Referenzlinks gespeichert werden, kann man sich die Mühe sparen ein ausgeklügeltes kostensparendes System aus S3 und lokalem Storage zu basteln. Ein richtiges Backup sieht anders aus.
Es steht fest, dass Atlassian mit der neuen Backupfunktionalität ohne Attachments die Third-Party-Lösungen erheblich unterstützen möchte. Für den Kunden bedeutet das in den meisten Fällen ein tieferer Griff in das Portemonnaie.
Der Markt für Third-Party-Lösungen
Die Limitierungen der nativen Lösung haben also einen florierenden Markt für spezialisierte Backup-Anbieter geschaffen.
GitProtect positioniert sich mit unbegrenzter Datenaufbewahrung und Disaster Recovery-Funktionalität im Premium-Segment bei etwa 400 Dollar monatlich für 100 Nutzer.
Die Lösung zeichnet sich durch die Unterstützung von Automation Rules und Cross-Platform-Migration aus, was besonders für komplexe Unternehmensumgebungen relevant ist.
Rewind bietet eine kostengünstigere Alternative für etwa 270 Dollar monatlich bei gleicher Nutzerzahl. Mit einer 365-tägigen Aufbewahrungsfrist und automatisierten täglichen Backups deckt die Lösung Standard-Anforderungen ab, verzichtet jedoch auf Disaster Recovery-Funktionalität.
HYCU und Revyz richten sich mit individuellen Preismodellen und konfigurierbaren Aufbewahrungszeiten an Enterprise-Kunden, wobei beide Lösungen erweiterte Compliance-Features und Audit-Log-Funktionalität bieten.
ProBackup stellt eine Sonderposition dar: Die Software selbst ist erstmal kostenlos, erfordert jedoch einen eigenen AWS S3-Account, was zu zusätzlichen Kosten zwischen 50 und 200 Dollar jährlich führt. Diese Lösung eignet sich primär für technikaffine Teams mit begrenztem Budget.
Hier sollte man aber aufpassen; erstens ist die App nach den Reviews zu urteilen wohl eher eine Beta und zweitens kann es gut sein, dass die App in Zukunft mit einem Preisschild versehen wird.
Der funktionale Unterschied zwischen nativen und Third-Party-Lösungen zeigt sich besonders bei den Wiederherstellungsoptionen.
Während Atlassians native Lösung nur vollständige Wiederherstellungen ermöglicht, bieten Marketplace-Apps granulare Recovery auf Issue- oder Projekt-Ebene.
Die Backup-Intervalle variieren ebenfalls erheblich: Atlassian beschränkt sich auf tägliche oder wöchentliche Sicherungen, während spezialisierte Anbieter stündliche oder sogar kontinuierliche Backups ermöglichen.
Die Preise im Überblick (Oktober 2025)
Die Funktionen im Überblick
Implementierung der 3-2-1-Regel im Cloud-Kontext
Das etablierte 3-2-1-Backup-Prinzip behält auch im Cloud-Zeitalter seine Gültigkeit.
Die Umsetzung erfolgt durch drei Datenkopien an verschiedenen Orten, zwei unterschiedliche Speichertechnologien und mindestens eine externe Kopie außerhalb der primären Infrastruktur.
In der Praxis bedeutet dies die Kombination aus Primärdaten in Atlassian Cloud, einem Backup über eine Marketplace-App und einer zusätzlichen Kopie im unternehmenseigenem Storage.
Anforderungsprofile und Kostenstrukturen
Kleine Organisationen bis 50 Nutzer stehen vor der Wahl zwischen budgetorientierten Lösungen wie ProBackup mit AWS S3 für etwa 50 bis 150 Dollar monatlich oder komfortableren Optionen wie Rewind für etwa 135 Dollar monatlich.
Der Unterschied liegt primär in der Benutzerfreundlichkeit und dem erforderlichen technischen Know-how für Einrichtung und Wartung.
Mittelständische Organisationen zwischen 50 und 500 Nutzern benötigen differenziertere Ansätze. Während Standardanforderungen durch Rewind mit 365-Tage-Retention abgedeckt werden können, erfordern Compliance-Verpflichtungen oft GitProtect mit unbegrenzter Aufbewahrung.
Die monatlichen Kosten bewegen sich typischerweise zwischen 200 und 2.000 Dollar, abhängig von Nutzerzahl und gewähltem Funktionsumfang.
Enterprise-Organisationen über 500 Nutzer arbeiten meist mit individuellen Vereinbarungen. GitProtect, HYCU und Revyz konkurrieren in diesem Segment mit unterschiedlichen Schwerpunkten bei Compliance, Multi-Instance-Verwaltung und Integration in bestehende IT-Landschaften.
Regulierte Industrien mit SOC2- oder ISO 27001-Anforderungen und typischen Aufbewahrungsfristen von sieben bis zehn Jahren finden in GitProtect und HYCU spezialisierte Lösungen.
Entwicklungsperspektiven
Eine vollwertige Enterprise-Backup-Lösung würde von Atlassian erhebliche Erweiterungen erfordern. Die Aufbewahrungsdauer müsste auf mindestens 90 Tage verlängert werden, idealerweise mit konfigurierbaren Optionen für regulierte Branchen.
Selektive Wiederherstellungsmöglichkeiten auf Objekt-Ebene sind für den produktiven Einsatz unerlässlich, ebenso wie eine echte Disaster-Recovery-Funktionalität mit Recovery-Zeiten unter einer Stunde. Die vollständige Speicherung von Attachments statt bloßer Referenzen sowie eine Langzeit-Archivierung von Audit-Logs würden die Lösung vervollständigen.
Technische Bewertung und Empfehlung
Die native Backup-Lösung von Atlassian stellt einen grundlegenden Schutzmechanismus dar, der jedoch für die meisten Unternehmensszenarien nicht ausreicht.
Die Kombination aus kurzen Aufbewahrungsfristen, fehlender granularer Wiederherstellung und der Beschränkung auf Referenzen bei Attachments macht zusätzliche Lösungen erforderlich.
Die Investition in Third-Party-Lösungen zwischen 200 und 500 Dollar monatlich für 100 Nutzer erscheint angemessen, wenn man die potenziellen Kosten eines Datenverlusts oder einer Compliance-Verletzung berücksichtigt.
Ein vierstündiger Produktionsausfall kann in vielen Unternehmen bereits die Jahreskosten einer professionellen Backup-Lösung übersteigen.
Natürlich fühlt sich der Preis unangemessen an , wenn man seine eigene halbwegs preiswerte Lösung über die REST API mit dem altem Backup-System betrachtet.
Datenstand: Oktober 2025. Preise und Funktionsumfänge unterliegen möglichen Änderungen. Aktuelle Informationen sind bei den jeweiligen Anbietern verfügbar.
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